Zum Inhalt springen

Folksy Feelings in der wabe[]ost

    Mit der Ost-West-AG drei Tage zu Gast in der Installation wabe[]ost von Caroline Creutzburg in Frankfurt am Main. Wir betanzen und besingen kollektiv das ATELIERFRANKFURT. Clara Reiner, Frédéric De Carlo, René Alejandro Huari Mateus und Jacob Bussmann von Local Dancing bieten uns an Tag 1 an, queere Instant-Traditionen im Kreis in den Raum zu tanzen.

    Sehnsüchte, mit den Ahnen zu singen und zu tanzen und trotzdem keinen Bock, das Alte zu kopieren? Wir fragen uns und andere: Welche (Volks*-)Lieder haben wir geerbt, woher kommen sie, und können wir sie gemeinsam singen? Oder sollten wir uns lieber direkt neue ausdenken oder die Folklore von anderen ausleihen? An Tag 2 laden wir ein zum großen Dinner − alle Gäst*innen können eine Musik, eine Bewegung, eine Erinnerung an etwas Performatives aus ihrer Biografie mitbringen, was irgendwas mit kulturellem Erbe zu tun haben könnte. Bei dem Gedanken an Volkslieder, Volkstänze und Trachten macht sich oft ein ‚muddy feeling‘ breit, aber die zumutbaren Folklore-Grenzen sind individuell verschieden.

    Bei Kartoffeln und Grüner Sauce meldet sich immer mal wieder jemand mit einem Fundstück zu Wort. Dabei merken wir, dass unsere persönlichen (Familien*-) Geschichten zu den Liedern, anderen helfen, anzuknüpfen. Und diese anderen heben uns dann wiederum über folkloristische Peinlichkeiten hinweg; etwa, wenn wir ein Volkslied selbst nur mühsam aus dem Zupfgeigenhansl, einem alten Familien-Liederbüchlein, zusammenklauben, und andere überraschenderweise mitsingen. Huch, sind da etwa grade Ahnen durchs ATELIERFRANKFURT geschwebt?

    Fotos von Betty Schiel und Caroline Creutzburg

    Gesprächs-Notizen

    Freiheit

    Betty: Wenn man jetzt aber lernen will, mit anderen zu tanzen? Darum würde es doch eigentlich gehen in diesem ganze Folklore-Ding.

    Elisa: Was ist eigentlich Tanz für mich. Wie viel Improvisation brauche ich? Wenn ich mir einfach selber Mucke auflege und den Tanzteppich ausbreite, dann geht es ja ab ohne Ende. Aber was ist der Unterschied zu so etwas Choreografierten − Menschen, die einem sagen, man muss jetzt drei Schritte nach rechts machen und dann kreuzen? Hat dann vielleicht auch wieder was mit Freiheit zu tun.

    Johanna: Vielleicht geht es um die Erfahrung im Tanzen wenig Macht zu haben und viel Handlungsspielraum.

    Tanja: Diese Gruppe und gleichzeitig da drin mein Ding machen können, das gefiel mir gut. Ich fühlte mich da irgendwie frei. Gemeinsames Tanzen ist leichter als einsames Tanzen. Und überhaupt geht in Gruppe vieles besser. Ritual hat Potential. Dinge wiederholen. Dinge wiederholbar machen. Sich erinnern. Immer wieder in die gleichen Bewegungsabläufe einsteigen. Nicht verfestigen. Flexibel bleiben. Die Spur kennen. Abweichen. Zurückkehren können: Ja, schafft Erleichterung.

    Johanna: Wo ist was? Bei allen Tänzen, die es schon lange gibt, fängst du damit an, dass du Anweisungen lernst. Und irgendwann ….− bei einigen geht das schneller und bei anderen dauert das richtig, richtig lange.

    Muddy feelings

    Johanna: Was man muddy findet bei diesen ganzen traditionellen Tänzen ist dieser Essentialismus, der da drinsteckt. Zu sagen: Du kannst es nur fühlen, wenn du Teil einer Gemeinschaft bist, die das seit tausend Jahren macht. Local Dancing sagen: Traditionen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich mit der Zeit transformieren und alle etwas dazu beitragen können. Es ist nicht auf tausend Jahre Säen und Ernten, also Kontinuität angelegt.

    Tanja: Ja, und vor allem: Ich könnte ja an das Ernten und Säen auch nicht andocken. Da könnte ich zwar den Tanz mittanzen, aber das Gefühl dazu könnte ich nicht herstellen.

    Ranwanzung. Die Tänze der anderen

    Tanja: Und wenn man beispielsweise an Griechenland denkt − da wird ja viel auf den Straßen getanzt mit Live-Musik. Und du wirst sofort involviert. Dann tanzt du halt mit und versuchst das, und kannst dich aber auch nicht verbinden.

    Conny: Ja, ich weiß auch nicht, ob die im Endeffekt denken: Was will das dusselige, deutsche Frauchen jetzt hier perfekt griechisch tanzen, aber hat keine Seele dafür?

    Johanna: Meinst du das mit der Seele hat wirklich was mit Herkunft zu tun?

    Conny: Das weiß ich nicht. Manchmal habe ich schon das Gefühl von Verbindung. Manchmal fühle ich mich einfach als Störfaktor. Und dann finde ich es fast vermessen, dass ich einen griechischen Tanz tanze. Wenn ich mit den deutschen Frauen tanze: Komm, jetzt tanzen wir mal schön, und das Meer, und da und da springen die Delphine, und wir tanzen in kleinen Wellen, die am Ufer anlanden: das ist schön – dann haben wir einen eigenen Tanz daraus gemacht…

    Betty: Meinst du alle Griechen empfinden das Gleiche? Das bezweifel ich.

    Conny: Nein, nein, nicht alle Griechen empfinden das Gleiche, das meine ich nicht. Um Gottes Willen! Nein, aber das ist irgendwo so ein kulturelles Erbe. Die gehen da ganz anders dran als ich als Deutsche. Wir haben keins, das ist ja das Problem. Und deswegen schmeißen wir uns dann manchmal an die anderen ran. Ja, wir wanzen uns da ran. “Ahh, jetzt die griechischen Tänze… und die Roma Tänze… oh, und das Bretonische” … . Und deswegen fühle ich mich ehrlich gesagt am wohlsten, wenn ich eigene Choreografien mache.

    Neu bauen

    Johanna: Traditionelle Tänze reagieren auf Formen des Ausgesetztseins in der Welt. Will man jetzt noch mal diese Wurzeln suchen, irgendwohin zurück wühlen, was die Nazis ja auch schon gemacht haben, und sich dann alles ekelhaft angeeignet haben? Oder geht es einfach darum zu akzeptieren, dass man neu bauen muss. Ist halt so. Es ist einfach nicht mehr begehbar so.

    Betty: Also, es ist ja hoffentlich klar, dass ich jetzt nicht diese Oma-Tänze kopieren möchte. Du kannst sagen: Dieses Erbe nicht, ich trete es nicht an, aber dieses ja genau. Und dieses Schweigen, und gar nichts tun, also nicht tanzen, nicht darüber reden − einfach nur sagen: Oll, will ich nicht. Das führt uns einfach nicht weiter. Macht man eine Kopie oder kann man es neu mit Leben füllen, was man da tut?