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Mit Johanna, Eva und Tanja zum großen Loch im Rheinland gefahren.

Notiz nach einem Besuch im Hambacher Forst am 17. Juni 2020.

I Das große Braunkohle-Loch war ganz unerwartet gar nicht so eine verstörende Verletzung für Auge und Seele. Es ist dann plötzlich da, wird als Touristen-Attraktion von der RWE in Szene gesetzt und sieht überraschend schön aus. Wie ein Gemälde in filigranen Sichtachsen. Zerstörte Natur muss gar nicht immer hässlich sein. Die Ästhetik im Grauen wurde auch schon für Atombombenexplosionen beschrieben. Die Bagger (laut RWE Schautafel die größten der Welt) wirken wie Spielzeuge, die Menschen sind abwesend. Die RWE inszeniert die Aufforstung wie einen natürlichen Prozess der Evolution – ein paar Millionen Jahren werden zur Seite gewischt. Kritik an dem ganzen Kohlewahnsinn und seinen Folgen wird als fake news von Verwirrten eingehegt.

II Viel schockierender als das große Loch ist an diesem Tag eine kurze Begegnung einige Stunden später. Im Örtchen neben dem Hambacher Forst sind alle Fenster und Türen verrammelt. Die Häuser stehen noch, das Leben ist abwesend. Die Dorfkirche wird demontiert. Wir fotografieren und benehmen uns wie Tourist:innen, die eine archäologische Stätte besichtigen. Pflücken Kamille und suchen schöne Steine für den Garten. Eine Bushaltestelle: Zwei junge Männer steigen aus dem Bus, der hier überraschenderweise hält. Einkaufstüten deuten darauf hin, dass sie Besorgungen gemacht haben. Hier wird ein Asylbewerberheim betrieben. Sie werden von uns Deutschen an diesem gottverlassenen Ort untergebracht. Ich schäme mich dafür.

III Der Hambacher Forst ist relativ leer. Ein paar Leute – schwarz gekleidet, die meisten vermummt – machen ihr Ding. Eine junge Frau mit britischem Akzent ist freundlich und erklärt uns die Moral ihrer politischen Mission.

IV Zwei Tage später lese ich in der Zeitung, dass der Hambacher Forst wieder geräumt wurde.

 

V Einige Monate später lese ich, dass ein vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragtes Gutachten vom Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier selbst öffentlich zurück gehalten wurde:

„Bei der Verabschiedung des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes (KVBG) hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) das Parlament wissentlich getäuscht. Erst am 14. Dezember 2020 – und damit Monate nach Beschluss des KVBG – wurde ein im Auftrag des Bundeswirtschaftsministers erstelltes Gutachten veröffentlicht, dass belegt, dass es keine energiepolitische Notwendigkeit zur unveränderten Fortführung des Tagebaus Garzweiler II gibt. Nach dem Ausstiegsszenario A1 des Gutachtens werden sowohl der Hambacher Forst als auch die Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Westrich (Ober-und Unterwestrich) sowie Berverath am Tagebau Garzweiler II erhalten. Anders als die Bundesregierung setzen die Gutachter damit die Empfehlungen der Kommission Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung („Kohlekommission“) eins zu eins um. Der Skandal reiht sich ein in eine ganze Serie von Tricksereien und Täuschungen zugunsten des Kohlekonzerns RWE. Wider besseren Wissens hat Peter Altmaier entschieden, noch mehr Menschen gegen ihren Willen für die Förderung dreckiger Braunkohle umzusiedeln. Durch die Geheimhaltung in der kritischen Zeit der Verhandlungen um das Kohlegesetz hat die Bundesregierung die Abgeordneten und die Bevölkerung hinters Licht geführt. Anstatt an das Wohl der Anwohnenden und die Folgen für Natur und Klima zu denken, hatte der Bundeswirtschaftsminister offensichtlich einmal mehr nur die Profitgier der Kohleindustrie im Sinn.“

Quelle: www.bund-nrw.de, gefunden am 17. Dezember 2021

 

Die Ost-West-AG / Betty Schiel, Eva Lochner, Johanna-Yasirra Kluhs und Tanja Krone auf Recherchetour, notiert von Betty Schiel | Fotos von Betty Schiel